Inhalte entdecken

Alevitentum

Über die Entstehung des in der Osttürkei beheimateten Alevitentum gibt es verschiedene Theorien. Eine der am meist vertreten Auffassungen ist, dass sich die Religion im 11./12. Jh. n.d.Z. durch den Sufimeister Haci Bektasch Veli gründete. Der Religionsname geht auf den Schwiegersohn Mohammeds, Ali, zurück. In der Türkei werden AlevitInnen immernoch nicht als Anhänger einer eigenständigen Religionsgemeinschaft anerkannt, sondern als Häretiker betrachtet. Innerhalb des Alevitentums gibt es zwei Auffassungen über dessen Zugehörigkeit: Ein Zweig versteht sich als Konfession innerhalb des Islam, der andere versteht sich unabhängig vom Islam. AlevitInnen betonen meist die mystische Dimension des Islam, wonach sie die Einswerdung mit Gott anstreben. Die weltweite Verbreitung ist schwierig zu erfassen, weil das Alevitentum meist nicht als offizielle Religion gilt. Schätzungen gehen von 10-25 Mio aus, von denen die meisten bis heute in der Osttürkei leben.

Lehre und Ziele

Gründung

Die Geschichtsschreibung über die alevitische Glaubensgemeinschaft ist schwierig, weil AlevitInnen von der in der Türkei dominierenden sunnitischen Gemeinschaft als Abtrünnige erachtet wurden und in grossen Teil immernoch werden. Es bestand deshalb wenig Interesse an ihrer Geschichte und die zugängliche Literatur ist uneinheitlich. In groben Zügen lässt sich rekonstruieren: Aus alevitischer Sicht begann die Trennung zwischen Sunniten und Aleviten (inkl. Schiiten) gemäss der Spaltung von Sunniten und Schiiten. Für die Entwicklung des Alevitentum spielte der Dichter Haci Bektasch Veli als religiöser Reformer eine genauso zentrale Rolle wie die Verbindung zu Sufis und mystischen Gruppierungen. Einigen historischen Zeugnissen zufolge befeuerten erst die Auseinandersetzungen zwischen den Osmanen (Sunniten) und den Safaviden (Schiiten) im 16. Jahrhundert die Etablierung des Alevitentums.

Gottesvorstellungen und Prinzipien

AlevitInnen erkennen Allah und den Koran an, für sie ist das Buch jedoch weder Gottes Wort noch Gesetz. Ebenso lehnen sie die Scharia ab. AlevitInnen betonen, dass es ihnen darum geht, den «tieferen Sinn» des Korans zu verstehen. Auch von den 5 Säulen des Islams erkennen sie nur die erste, das Glaubensbekenntnis an. Ihr mystisches Grundverständnis drückt sich auch in der Bedeutung spiritueller Meister aus, die den Menschen verhelfen sich mit Gott zu verbinden. Neben Gott und Ali werden auch die Prophetenfamilie und die zwölf Imame verehrt.

Heilige Schriften

Neben dem Koran gilt der Buyruk (Gebot) als zentrale Quelle für AlevitInnen. Sie beinhaltet Glaubensvorstellungen, Pinzipien, die Beschreibung von Bräuchen und Zeremonien sowie Erzählungen. Einigen Quellen zufolge ist das Regelwerk im 16. Jahrhundert entstanden als es in der Auseinandersetzung zwischen Osmanen und Safaviden als Propagandamittel zum Einsatz kam.

Glaube und Rituale

Gebet

AlevitInnen können sowohl allein als auch in der Gemeinschaft beten. Sie haben keine Pflichtgebete. Ihre Gebete sind auf türkisch. Sie achten dabei auf eine bestimmte Fussstellung, legen ihre Hand auf das Herz und zünden oftmals eine Kerze an. Wenn sie in Gemeinschaft beten, gehört oft Musik und Tanz zum Ritus. So werden ihre Gebete und Hymnen auch oft vom Saiteninstrument Saz begleitet.

Cemhaus und Gottesdienst

Der Versammlungsort der AlevitInnen wird Cemhaus genannt oder auch simpel Vereinslokal, denn die soziale Zusammenkunft steht meist sowieso im Vordergrund. Die alevitische religiöse Vereinigung nennt sich Cem und ist ebenfalls ein sozialer Anlass, der mehrmals jährlich stattfindet und an dem Männer wie Frauen teilnehmen. Während des Cem halten spirituelle Lehrer (Dede) und Laien Ansprachen, Unterweisungen, Gebete und gedenken so Ali und der Propheten. Einen wichtigen Teil nimmt der musikalische Rahmen ein, wobei die Saz gespielt und Hymnen gesungen werden. Die Musik begleitet ebenso den rituellen Tanz (Semah), an dem alle Anwesenden teilnehmen. Im Anschluss wird das von allen mitgebrachte Essen verteilt und gemeinsam gegessen.

Symbole und Gegenstände
Wichtig ist im Alevitentum das Symbol des Lichts. Gemäss alevitischer Lehre kommen alle aus dem Licht und gehen zu ihm zurück. Gleichzeitig symbolisiert die Helligkeit des Lichts auch die Erkenntnis. Daneben gelten das Schwert des Ali Baba, die Friedenstaube, das Saiteninstrument Saz oder Bilder von Ali und Haci Bektasch Veli als bekannte Symbole.
Tod und Begräbnis
Die sterbende Person wird von nahen Verwandten und Bekannten, oftmals mit Gebeten, begleitet, auch ein Dede kann hinzu gezogen werden. Die Leiche wird von den Verwandten ausgezogen, gewaschen, in ein weisses Leichtenuch gewickelt und in den Sarg gelegt. Der Dede oder eine andere Person beten. Im Anschluss folgt eine Schweigeminute. Grundsätzlich ist die Erdbestattung vorgesehen. Gemäss Wunsch der Verstorbenen kann jedoch auch kremiert werden.

Geschichte und Entwicklung in der Region

Geschichte

In der Schweiz wurde 1992 der erste alevitische Verein gegründet: Eine Zweizimmerwohnung diente als Vereinslokal. Von Anfang an kamen so viele Leute, dass das Lokal eigentlich schon vor der Eröffnung zu klein war. 1993 fand das erste öffentliche Cem, die religiös-soziale Versammlung, im Kirchgemeindehaus Oekolampad unter grosser Beteiligung, statt.

Besonnene AlevitInnen beider Vereine betonten die Gemeinsamkeiten und suchten nach Möglichkeiten, um sowohl die Vereine einander näher zu bringen und andererseits gesellschaftlich besser anerkannt und integriert zu sein. Dass unterdessen eine junge Generation herangewachsen war, die von den Zerwürfnissen, die zu den Trennungen geführt hatten, nichts wussten, trug sicher auch zu einer pragmatischen Lösung bei. 2012 wurde das Zusammenrücken der beiden Vereine auch äusserlich sichtbar. Das jährliche Cem wurde von den beiden Vereinen mit rund 1200 Anwesenden gemeinsam begangen.

2010 reichten die beiden Vereine schliesslich unter dem Namen «Alevitische Religionsgemeinschaft» das Gesuch um die sogenannte «Kleine Anerkennung»ein. 2012 wurde im Grossen Rat Basel-Stadt der Alevitischen Gemeinschaft die kantonale Anerkennung zugesprochen. Mit 68 Ja-Stimmen, 1 Ablehnung und 13 Enthaltungen fiel das Ergebnis eindeutig aus.

Aktuell

2021 bestehen in der Region Basel zwei alevitische Vereine.

Vielen Dank an Sie! Ihr Eintrag wurde gesendet.
Hoppla! Beim Absenden des Formulars ist etwas schief gelaufen. Bitte versuchen Sie es später noch einmal..