Die Frage nach dem Verhältnis von Religionen und Humor beschäftigte INFOREL-Gründer Christoph Peter Baumann intensiv: Über 30 Jahre lang sammelte er Witze, Karikaturen, Anekdoten, Bücher und zusehends auch Links zum Thema. Daraus entstand eine Publikation «Humor und Religion», aus welcher einige Überlegungen an dieser Stelle einfliessen.
Widersprüche, Umkehrungen, unerwartete Perspektiven – das sind einige der Mittel, durch welche Humor oder das Komische entsteht. Humor kann helfen, Situationen aus neuen Blickwinkeln zu betrachten und Spannungen abzubauen. Lachen kann befreiend und verbindend sein, aber auch ein Mittel für den Ausdruck von Kritik oder gar Spott. Dabei spielt es eine grosse Rolle, wer aus welcher Perspektive über wen oder was lacht. Insbesondere bei satirischen Darstellungen, die oft auch bissig und kontrovers sein können, entfachen sich teilweise hitzige Diskussionen über die Grenzen des guten Geschmacks und dessen, was erlaubt sein sollte. Im Folgenden geht es allerdings hauptsächlich um das Thema des Humors innerhalb verschiedener religiöser Traditionen. Noch mehr Beispiele für die Verknüpfung von Humor, Lachen und Religion sowie viele Witze aus verschiedenen religiösen Traditionen finden sich in der Publikation von Christoph Peter Baumann «Humor und Religion».
Im Alten Testament gibt es 18 Stellen zum Wort «lachen». Dabei geht es allerdings meist nicht um humorvolles Lachen, wie zum Beispiel der folgende Psalm zeigt: «Und die Gerechten werden es sehen und sich fürchten und werden seiner lachen…». Eine viel zitierte Stelle ist auch diejenige, in der Sara erfährt, dass sie trotz ihres hohen Alters ein Kind erwartet: «Und Sara sprach, Gott hat mir ein Lachen zugerichtet; denn wer es hören wird, der wird über mich lachen.» Ihr Kind erhielt schliesslich den Namen Isaak, was etwa «Er lacht» oder «Gott lacht» heisst.
Über die Frage, ob Jesus gelacht haben soll, herrscht keine Einigkeit, denn im Neuen Testament gibt es keine Beschriebe davon. Im Zusammenhang mit seiner Auferstehung gab es aber im Mittelalter einen Brauch des Lachens: das Osterlachen. Im Ostergottesdienst brachten die Geistlichen durch lustige Geschichten oder das Imitieren von Tieren die in der Kirche versammelte Gemeinde zum ausgelassenen Lachen. Auf diese Weise wurden nach einer langen Fastenzeit die Auferstehung und die Überwindung des Todes gefeiert. Die Reformation schaffte das Osterlachen schliesslich ab, und heute wird der Brauch nur noch selten und jedenfalls nicht in dieser Form zelebriert – Fröhlichkeit in Gottesdiensten schliesst dies aber keinesfalls aus.
Jüdische Witze haben eine lange Tradition. Sigmund Freud schrieb: «Der Witz ist die letzte Waffe des Wehrlosen». Angesichts der langen Verfolgungsgeschichte der Jüdinnen und Juden wird im Zusammenhang von Humor und Judentum teilweise auch von «Galgenhumor» gesprochen. Die Historikerin Desanka Schawra beschreibt es so: «Mit Humor liessen sich leidvolle Erfahrungen von Mangel, Unterdrückung und Konflikten leichter ertragen.»
Salcia Landmann – für manche gilt sie als Altmeisterin des jüdischen Humors – sammelte über Jahrzehnte Witze und auch Karikaturen aus dem jüdischen Bereich. Allen diesen Publikationen ist gemeinsam, dass Jüdinnen und Juden selbstironisch über allzu Menschliches lachen. So werden beispielsweise die strengen Speise- oder Schabbat-Gebote augenzwinkernd betrachtet oder karikiert, teilweise tritt aber auch das Merkmal des «Galgenhumors» stärker zutage. Salcia Landmann schreibt: «Der Witz der Juden ist identisch mit ihrem Mut, trotz allem weiterzuleben.»
Ähnlich wie in der Bibel finden sich im Koran vor allem negativ konnotierte Bezüge, wie zum Beispiel «Doch als er mit Unseren Zeichen zu ihnen kam, siehe, da lachten sie über sie.» (43,47) Lachen gilt hier häufig als Spott. Im Gegensatz zu Beschreibungen über Jesus aus dem Christentum findet sich hingegen im Islam ein Religionsstifter mit einer humorvollen Seite. Gemäss Überlieferungen habe Mohammed manchmal sogar so sehr gelacht, dass seine Weisheitszähne sichtbar wurden.
Besonders im Sufismus, der islamischen Mystik, gibt es eine Art Narrenfigur, die als Synonym für Schlitzohrigkeit und Bauernschläue, aber auch als Weise und Meister gilt: Nasredin Hodscha. Nach aktuellen Erkenntnissen wurde er vor 1208 in der heutigen Türkei geboren und wirkte als Vorbeter (türkisch «Hoca») in einer Moschee. Ihm werden viele Witze und Anekdoten zugeschrieben, in denen er Humor nutzt, um den Menschen einen Spiegel vorzuhalten.
Wie so oft kann die Frage, ob Buddha gelacht habe, nicht eindeutig beantwortet werden. Es ist allerdings überliefert, dass er lautes Lachen von buddhistischen Mönchen als unpassend und kindisch bezeichnet haben soll und zu ihnen gesagt habe: «Seid ihr über Dinge erfreut, so genüge euch ein blosses Lächeln.» In vielen Legenden zeigt der Buddha aber durchaus Humor und bringt dadurch auch seine Weisheit zum Ausdruck. Besonders zeigt sich Humor als Mittel für die Unterweisung im Zen-Buddhismus: Die kurzen Meister-Schüler-Dialoge, genannt «Koan», arbeiten häufig mit Paradoxien. Humor dient hier als Hilfsmittel für die Belehrung. Auch im tibetischen Buddhismus ist Humor präsent: Der Dalai Lama ist bekannt für sein ausgelassenes Lachen und seine humorvolle Art, mit der er Zuhörende seiner Vorträge zum Schmunzeln und Lachen bringt.
In China soll etwa im 10. Jahrhundert ein Bettelmönch mit Übernamen Butai, «Stoffsack», (japanisch: Hotai) gelebt haben. Er gilt als Maitreya, also als Buddha des zukünftigen Weltzeitalters und wird stets dickbäuchig und lachend dargestellt und symbolisiert Glück, Reichtum und himmlischen Segen. Bekannt geworden ist seine Figur vor allem durch den Zen-Buddhismus, heute ist er aber auch darüber hinaus populär, vor allem in China und Japan.
Im Hinduismus finden sich Humor und Gelächter auch in den heiligen Schriften, so ist im Rig-Veda 9,112 ein humoristisches Lied überliefert und über die Sturmgötter Marut wird gesagt, dass sie aus dem Lachen des Blitzes geboren wurden. Anhand der Bedeutung des Begriffs «Lila» lässt sich ebenfalls zeigen, inwiefern Humor und Religion zusammen gedacht werden können. «Lila» ist Sanskrit und heisst übersetzt etwa «Spiel, Scherz, Belustigung». Er wird sowohl im profanen Bereich – zum Beispiel für ein Kinderspiel – verwendet, als auch im Zusammenhang mit der Schöpfung. Im Vishnuismus werden die fortwährenden Schöpfungen der Welt nämlich als «Lila» der Götter verstanden. Zum Ausdruck kommt dieses Verständnis eines grossen, göttlichen Spiels beispielsweise in Darstellungen von tanzenden Göttern, die die Welt zerstören und sie wieder erschaffen, wobei dem Spiel Eigenschaften wie Heiterkeit, Spontanität und Leichtigkeit zugeschrieben werden.
Der beliebte Gott Ganesha gilt als intelligent, weise und humorvoll. Gemäss einer Überlieferung wurde er durch das Lachen von Schiva geboren und eine andere Erzählung besagt, durch Ganesha soll gar das Lachen in der Welt entstanden sein. Zu seinen Merkmalen und Attributen gehören ein Elefantenkopf, Süssigkeiten und eine Maus als Reittier, was auch in den vielen humoristischen Geschichten über ihn zu einem komischen Effekt beiträgt.
Wer darf lachen? Und worüber? In den Religionen gibt es diesbezüglich unterschiedliche Grenzen, so darf zum Beispiel im Islam kein Prophet lächerlich gemacht werden und Karikaturen über Mohammed sind ein Tabu. Dies heisst allerdings noch nicht, dass es aus rechtlicher Sicht eine Straftat ist, solche satirische Beiträge mit entsprechendem Material zu veröffentlichen. Hier zeigt sich, dass die Frage, ob ein satirischer Beitrag zulässig ist, auf unterschiedlichen Ebenen besprochen werden kann. Es geht nicht nur darum, was aus rechtlicher Sicht erlaubt ist, sondern auch darum, was aus moralischer oder ethischer Sicht ratsam oder vertretbar ist. Ein Beispiel dafür ist die Stellungnahme des Schweizer Presserats zur Frage, ob Schweizer Medien die umstrittenen Mohammed-Karikaturen zur Illustration der gesellschaftlichen und politischen Diskussion abdrucken dürften. Er hielt abschliessend fest:
«[...] Die Freiheit von Satire und Karikatur erstreckt sich auch auf religiöse Themen. Sie ist weder an religiöse Bildverbote gebunden, noch hat sie auf besondere Empfindlichkeiten von orthodoxen Gläubigen abzustellen. Ausgehend vom Empfinden von demokratischen, aufgeschlossenen Zeitgenossen hat sie sich unter Wahrung der Verhältnismässigkeit an die weitgezogenen Schranken von Wahrheit, Diskriminierungsverbot und Respektierung der Menschenwürde zu halten. Auch im Umgang mit Religionsgemeinschaften ist die Satirefreiheit verantwortlich zu handhaben.»
Abgesehen vom rechtlichen Rahmen spielt also Eigenverantwortung bei diesem Thema eine zentrale Rolle. Auch Christoph Peter Baumanns Fazit zielt in diese Richtung. In einem SRF-Interview fasst er abschliessend zusammen: «Letztlich geht es darum, worauf der Humor abzielt. Ein religiöser Witz ist dann nicht mehr legitim, wenn er für die Betroffenen verletzend wirkt.»